Winterreise
- Sabine Patatzki

- 21. Okt.
- 3 Min. Lesezeit
Nicht umsonst werden Schulen, Brücken oder Straßen oft nach bekannten Persönlichkeiten benannt. Sie haben sich in irgendeiner Weise verdient gemacht und sind mit ihrem Wirken berühmt geworden, für eine Stadt, ein Land, eine Sache. Bei großen Namen, die jeder kennt, braucht man natürlich nicht lange zu überlegen, aber es kommt auch immer wieder vor, dass man sich fragt: Wer steckt eigentlich dahinter?
So auch vor Kurzem, als ich mehrfach an einer Bushaltestelle vorbeikam, die der Person „Wilhelm Müller“ gewidmet war. Dieser Name war mir nicht sofort geläufig, daher wollte ich irgendwann wissen, wer er war: nämlich ein deutscher Dichter und Schriftsteller des 19. Jahrhunderts.
Obwohl der Name Wilhelm Müller für mich erstmal eine Bildungslücke war, musste ich schnell feststellen, dass seine Werke durchaus höheren Bekanntheitsgrad haben, wenn natürlich auch für etwas stehend, was wie aus der Zeit gefallen scheint – im wahrsten Sinne des Wortes. Zu schnell würde man die Arbeit von Wilhelm Müller in eine antiquierte Schublade altmodischer Heimatfilme ablegen. Aber den Liederzyklus „Die Winterreise“ (vertont von Franz Schubert) kannte ich dann doch.
Auch das Lied „Am Brunnen vor dem Tore“, in dem ein Lindenbaum besungen wird, stammt aus der Feder von Wilhelm Müller. Und da ich meine gesamte Kindheit in einer Straße mit Lindenbäumen wohnte, dachte sich mein Krebs-Merkur, dass ich mich doch mal auf Zeitreise begeben sollte und etwas zu Wilhelm Müller schreibe, den ich quasi über eine Bushaltestelle „kennengelernt“ hatte.
Ich fing an mich in seine Vita einzulesen, und es wurde fast nebensächlich erwähnt, dass er unglücklich verliebt war in eine Dame namens Luise Hensel (ebenfalls eine deutsche Dichterin), der er sein Werk „Die schöne Müllerin“ widmete. Da fragte ich mich bereits, ob man dies eventuell in seiner Radix wiederfinden würde, vielleicht in einer schwierigen Venus/Chiron Konstellation (=Herzschmerz). Werfen wir einen Blick:

Eine Waagesonne zeigt uns erst einmal den Künstler. Um welche Kunst es sich dabei handelt, erzählt uns das Stellium mit Merkur/Poesia/Polyhymnia (also die schreibende Zunft). Die königliche Spica ist ebenfalls eingebunden und adelt sein dichterisches Talent. Für seine Kunst (Venus) kommt er zu Ehren (Schütze), er schreibt über seine deutsche Heimat (Opposition Germania in den Zwillingen).
Seine aus Glaubensgründen nicht erwiderte Liebe zu seiner Angebeteten Luise Hensel (Asteroid Luisa im Venus-Zeichen Waage) sehen wir tatsächlich im T-Quadrat von Venus (Liebe) / Chiron (wunder Punkt) / Saturn (Verzicht), hier sind auch gleich zwei weitere königliche Fixsterne (Regulus und Alcyone) eingebunden. Seinen Schmerz (Chiron) hat er jedoch letztlich zu seiner Stärke genutzt (Trigon Mars) und in die Welt hinausgetragen (Schütze), was ihm großen Ruhm einbrachte (im Domizil stehender Jupiter). Mit Juno (Ehefrau)/Euterpe (Muse der Poesie) hat er mit seinem Werk „Die schöne Müllerin“ etwas geschaffen, wovon er träumte (Fische-Mond/Ehefrau, Baucis/glückliche Ehe), was ihm jedoch verwehrt blieb, ihm am Ende aber einen großen Bekanntheitsgrad einbrachte (Schütze). Genau in Opposition zu diesem Mond übrigens Franz Schubert, der seine Texte vertont hat. Mit diesem arbeitete Müller ja mehrfach an verschiedenen „Projekten“ zusammen (Jungfrau), wie oben schon beschrieben.
Interessant ist übrigens immer die Beobachtung der mundanen Zeitqualität, die sich in Form der Transite auf meine Radix legt:

Als mir Ende September zum ersten Mal der Gedanke zu einem möglichen Beitrag kam, stand Franz Schubert exakt auf meinem Krebs-Merkur (Schreiben, Heimat) und die Transit-Venus (archetypisch: die Venus entspricht auch der Linde!) auf meiner Radix-Luisa. Jetzt ist der Text nun endlich fertig, und Luisa ist in Begleitung der Venus exakt auf meinen Waage-Mond vorgerückt, sowie Transit Chiron derzeit auf meinem Chiron/Poesia. Es brauchte eben eine Weile, bis aus einer ersten Inspiration eine Veröffentlichung wird, und die Thematik könnte aus den Gestirnen nicht stimmiger sein.
Wilhelm Müller wurde übrigens gerade einmal 32 Jahre alt. Die von ihm besungene Linde hat schon längst keine Blätter mehr. Es kamen neue, und durch alle Zeiten lebte der Baum zwischen Vergänglichkeit und Erneuerung. Vor uns liegt jetzt auch die Winterreise, nach der wir uns im nächsten Frühjahr auf einen Neuanfang freuen dürfen. Bis dahin dürfen wir davon träumen, wie es wohl wäre, wenn wir irgendwann an irgendeiner Bushaltestelle auf uns selbst treffen würden.
In diesem Sinne – alles Liebe! Eure Sabine



