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AutorenbildSabine Patatzki

War da was?

Immer, wenn mal wieder ein Unwetter nachts durch die Region gezogen ist, und am nächsten Morgen alles friedlich da liegt, frage ich mich: War da was? Was hinter uns liegt, wirkt plötzlich so unwirklich, als ob es nie passiert sei, scheint doch die Sonne heute wieder recht freundlich und auch Vogelgezwitscher ist zu vernehmen. Die Natur zeigt uns aber dennoch gewaltige Spuren der Kräfte, die da gewirkt haben, sei es an abgebrochenen Ästen, herabgewirbeltem Laub oder an deutlich gesunkener Temperatur.


Nicht immer kommt ein Umschwung oder eine Veränderung mit so einem lauten Knall und so urplötzlich wie bei einem Sommergewitter. Insbesondere wenn es um unsere innere Entwicklung geht, merken wir doch eher an vielen kleinen – zunächst vielleicht sogar noch unauffälligen – Zeichen, dass schleichend etwas mit uns passiert, anstatt mit einem krachenden Einschlag. Eingebungen, sonderbare Situationen, die wir uns logisch gar nicht erklären können. War da was? Oder haben wir uns das gerade nur eingebildet? Beim ersten Mal mögen wir geneigt sein, dies schnell wieder zu vergessen, aber wenn sich diese Merkwürdigkeiten häufen, dann werden wir uns doch eingestehen, dass etwas in Bewegung ist. Wir werden zunehmend sensibilisiert für Kuriositäten und seltsame Zufälle, die sich so kein Mensch ausdenken könnte. Und mit der Zeit wird es für uns normal, diese Zeichen immer bewusster wahrzunehmen und auch darauf zu vertrauen, dass diese uns genau im jeweiligen Moment erreichen sollten.


Wir hören jetzt auch immer tiefer in uns hinein, denn draußen ist es uns einfach zu laut. Man versteht dort sein eigenes Wort nicht – und überhaupt finden wir es zu grell, zu chaotisch und zunehmend unerträglich. Daher ziehen wir uns mehr und mehr in unser Inneres zurück, auf der Suche nach Ruhe und Frieden. Je tiefer wir tauchen, desto dunkler wird es zunächst. Aber es führt kein Weg daran vorbei, dass wir unseren Schattenseiten bis auf den Grund gehen müssen, und zwar bis ganz nach unten, sonst wird immer ein Rest übrigbleiben. Von Mal zu Mal wagen wir uns ein Stück weiter runter, um entsetzt festzustellen, was da schon so lange schlummert. Ja, in der Tat, da war mal was, was jetzt auch immer noch da ist. Aber wir haben die Chance, daran zu arbeiten. Jedes Mal gehen wir dabei die berühmte Extra-Meile. Nicht die Extra-Meile, die wir ableisten, wenn wir zig Stunden für Sinnlosigkeiten verplempern, sondern die, die uns am Ende zur Wahrheit führen wird, die uns für alle Mühen, Blut, Schweiß und Tränen entlohnt. Aber das eben erst am Ende.


Welch gewaltigen Kräfte in uns wirken, darüber machen wir uns anfangs noch gar kein Bild. Wir haben überhaupt keine Vorstellung davon, welchen Weg wir da eingeschlagen haben. Und so manches Mal wünschten wir uns vielleicht doch eher ein Sommergewitter mit einem großen Knall, denn der langsame Weg scheint oft viel zu schwer für uns und mit so unerträglich vielen Opfern gepflastert, die wir dafür erbringen müssen. Mehr als einmal fühlen wir uns dabei wie durch den Fleischwolf gedreht. Aber jeder Schritt bringt uns weiter zu der Erkenntnis, dass dies tatsächlich nur ein Prozess sein kann – nicht kurz und schmerzlos wie ein Unwetter, sondern genau das Gegenteil davon. Denn um das „war da was?“ loszulassen, braucht es Zeit und Durchhaltevermögen, das aus unserem Glauben, der Hoffnung und der Liebe gespeist wird. Trotz aller Widrigkeiten, die uns auferlegt werden, spüren wir mehr und mehr eine Leichtigkeit, die sich einstellt. Ist es nicht so, dass Gott uns nichts zumutet, was wir nicht mit seiner Hilfe schaffen können? Je weiter wir kommen, desto mehr erschließt sich der Sinn in allem, Opfer werden gar nicht mehr so sehr als Opfer sondern als Notwendigkeit wahrgenommen. Schmerz wird relativ, denn die Prioritäten haben sich verschoben. Jeder Verlust kann gleichzeitig ein großes Geschenk sein. Man kann jetzt nicht mehr anhalten oder zurück gehen, soviel ist klar.


Und für was das alles? Die abgebrochenen Äste werden am Ende verschwunden sein, es wird kein aufgewirbeltes Laub mehr herumliegen. Es ist angenehm warm und herrlich friedlich hier. Und die Sonne wird scheinen, als ob nie was war.


Alles Liebe, Eure Sabine

Musikbeitrag: Enya - "Only time" (with lyrics)

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