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Besenrein

Autorenbild: Sabine PatatzkiSabine Patatzki

Im Laufe unseres Lebens sammeln wir so einiges an. Dabei umgeben wir uns besonders gerne mit den schönen Dingen, die wir uns erarbeitet haben. Goldene Pokale, schöne Erinnerungen, besondere Momente. Damit leben wir doch nur allzu gerne, daran erfreuen wir uns. Aber dann gibt es eben auch noch diese Dinge, die in die gegenteilige Kategorie gehören, die wir am liebsten verdrängen wollen, worauf wir so gar nicht stolz sind. Also kehren wir sie doch am einfachsten für uns unter den Teppich! Je nach Härtegrad ist dieser dann mehr oder weniger schnell derart unansehnlich, dass wir uns damit nicht mehr umgeben wollen. Aus den Augen damit, vielleicht erstmal in den Keller? Dieses dreckige Teil wollen wir wirklich nicht in unserem Leben haben.


Wenn dieser schmutzige Teppich dann erstmal außer Sicht ist, lebt es sich wieder sehr gut mit all unseren Pokalen. Ab und zu erinnern wir uns zwar daran, dass es da etwas Unschönes gibt im Keller, aber wir sind ja gut im Verdrängen! Da wir es nicht offensichtlich um uns haben, fühlt es sich an, als sei da nichts. Meistens zumindest. Denn ab und an erinnern wir uns doch daran, aber leider unbequem und unangenehm, so ein fieser Stachel ist das. Schnell wenden wir uns lieber wieder unseren Pokalen zu.


Irgendwann aber, wenn die Zeit gekommen ist unser Zuhause zu verlassen, dann heißt es Umzugskartons packen. Alles was uns lieb und teuer ist, wird natürlich als erstes und auch besonders sorgfältig verpackt – all die goldenen Pokale, schönen Erinnerungen und besonderen Momente. Die wollen wir selbstverständlich sofort als erstes mitnehmen! Bevor wir aber gehen, gibt es da noch ein Problem: denn da ist ja noch der Keller … Und spätestens dann müssen wir wohl oder übel in unseren Hades steigen und uns mit dem schmutzigen Teppich und all den anderen Sachen beschäftigen, die dort unten vor sich hin modern, weil wir uns nicht mit ihnen beschäftigt haben.


Allein der Weg nach dort unten ist schon ein Graus und mehr als unangenehm. Düster ist es dort, es brennt nur eine mickrige Kellerfunzel. Ein Leben lang war es für uns immer einfach, alles Unangenehme hier einfach abzuladen. Aber jetzt begegnen wir hier unserer eigenen Schattenwelt. Wir wollen am liebsten sofort wieder zu unseren goldenen Pokalen. Aber wir müssen nach unten, und zwar bis ganz nach unten. Und wir bedauern es spätestens jetzt, dass sich hier über die Zeit nicht nur so viel Unrat angesammelt hat, sondern der Zustand in all den Jahren noch viel schlimmer geworden ist.


Irgendwie – so denken wir jetzt – wäre es doch vielleicht besser gewesen, wenn wir uns mal etwas früher gekümmert hätten. Am liebsten würden wir ja das alles hier einfach so stehenlassen und nur mit unseren schönen Pokalen umziehen. Aber leider wird das so nicht funktionieren, denn wir müssen ja alles besenrein hinterlassen. Jetzt müssen wir uns überwinden und uns dem Ganzen stellen. Alles kommt mit und wird mit uns in unsere nächsten Lebensumstände wieder mit einziehen: Das Gute und das Hässliche. Das Schöne und das Dunkle. Die Pokale und die Fratze. Da gibt es keine Ausnahme, für niemanden.


Werden wir uns doch heute schon bewusst, welche Spuren unser Teppich hat, und was wir damit machen. Die Wandlung all unserer Untugenden fordert uns jeden Tag aufs Neue heraus. Wie sieht’s denn aus in unserem Keller – und wollen wir wirklich beim Umzug davon aufgefressen werden, oder nehmen wir den Besen ab heute in die Hand?


In diesem Sinne, alles LIEBE! Eure Sabine

Musikbeitrag: The Bee Gees - "How deep is your love" (with lyrics)

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